Kunst im Werk Carlshütte

Skulpturen, Malerei, Grafik, Fotografie, Video, Film, Objekte, Installationen – Werke von 250 Künstlern, inszeniert auf einer Ausstellungsfläche von mehr als 100.000 Quadratmetern: Die NordArt ist zweifelsohne ein Hotspot für zeitgenössische Kunst. Unbestritten ist sie eine der größten privaten Ausstellungen ihrer Art in Europa: jedes Jahr im Sommer in Büdelsdorf neu inszeniert. Bis zum 9. Oktober stehen 2016 ihre Tore offen. Am 10. Juni 2017 eröffnet die 19. Auflage.

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NordArt: Jedes Jahr eine Neuinszenierung

Nach 2015 sind Katrin und ich zum zweiten Mal hier. Und wie im vergangenen Sommer strahlt auch heute die Sonne und setzt durch die Dachfenster eigene Akzente. Bei einigen Arbeiten erleben wir ein „Déjà vu“ – allerdings an anderer Stelle. Die NordArt – in jedem Jahr eine neue Inszenierung als Gesamtkunstwerk.

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Abstimmung 2015 in zwei Wasserbecken mit schwarzen Steinen für „Nein“ und weißen für „Ja“. © Fotos (3): Uwe von Schirp

Wir stehen in der Halle 2 des Kunstwerks Carlshütte. Vor der Skulptur „Druiden-Steine III“ von Kurator Wolfgang Gramm stehen zwei Körbe mit Kieselsteinen, eine Anzahl von Ihnen beschriftet im Wasserbecken unter den Granitfindlingen. Eine Brücke von 2015 zu 2016: Vor zehn Monaten überraschte uns eine Abstimmung an zwei großen Becken in Halle 1. Schwarze Steine – Nein; weiße Steine – Ja; Fasermaler animierten, Namen und Nachrichtern zu hinterlassen.

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Begrüßung 2015 zum „Festmahl“. © Foto: Uwe von Schirp

Wir lassen unseren Blick schweifen. Von Ferne schauen mehr als lebensgroße Schweine an einer langen Tafel: das „Festmahl“ des Chinesen Lv Shun, Publikumspreisträger 2015. Mir schwirren die Gespräche noch einmal durch den Kopf, die Assoziationen mit Da Vincis berühmten Gemälde „Das Abendmahl“ oder die bloße Erkenntnis eines Bildes von Konsum und Völlerei. Die NordArt – an vielen Stellen eine Herausforderung zum Diskurs. Im vergangenen Sommer noch als provozierend Begrüßende empfunden, wirkt die aus Stahl gegossene Herde am Tisch jetzt wie ein fresssüchtiges Komitee, das das Kunstspektakel beobachtet.

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Konsumsucht und Völlerei beim „Festmahl“. © Fotos (3): Uwe von Schirp

Kunstraum und Kulisse

Es ist die einzigartige Architektur des Veranstaltungsraumes, mit dem Standort der Kunstwerke wechselt die Kulisse. 22.000 Quadratmeter groß sind allein die Hallen der ehemaligen Carlshütte, 80.000 Quadratmeter das Außengelände mit den historischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Ein Areal mit Geschichte: seit dem 14. Jahrhundert Versorgungsgut von Schloss Rendsburg, ab 1827 die erste Industrieansiedlung der Herzogtümer Schleswig und Holstein.

Die Leuchtreklame erinnert an die Geschichte des Industrieareals. © Foto: Uwe von Schirp

Als die Eisengießerei 1997 in Konkurs ging, kaufte Hans-Julius Ahlmann Hallen und Gelände. Die Geburtsstunde des „Kunstwerk Carlshütte“. Der Gesellschafter der benachbarten ACO-Gruppe ist Kunstliebhaber und Gastgeber der NordArt.

Heute ist die Carlshütte ein Hort der Kultur für Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Theater und Film. Authentisch die industriehistorische Kulisse: Kunst in der Weite der Hallen unter Steuerhäusern und Kranwinden, zwischen Becken und Bunkern, auf alten Fundamenten. Ein Erlebnis für die Sinne. An warmen Tagen wie an diesem auch durch die Nase erfahrbar.

Preisträger

Wir stehen vor 38 drehenden Edelstahlscheiben, die das Sonnenlicht reflektieren: „Kopf – Kafka“ des tschechischen Künstlers David Černý – zwei Meter achtzig hoch. Er ist der Beginn einer Achse, an deren Ende Černýs vier Meter hoher „Speederman“ inmitten eines riesigen Wasserbeckens in einem dunklen Hallenanbau blinkt. Auf halbem Weg ein Korpus aus Edelstahl mit einem Kopf in Helicopter-Form. Der mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnete Künstler soll in diesem Jahr einen weiteren erhalten – als NordArt-Preisträger 2016: Preisverleihung bei der Eröffnung der nächsten NordArt am 10. Juni 2017.

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Die Arbeiten von David Černý bilden eine Achse in der weitläufigen Halle. © Foto: Uwe von Schirp

Der Weg in den hinteren Teil der Halle 2 führt an den Werken von Jang Yongsun vorbei. „Schau mal“, sagt Katrin und weist auf einen meterhohen Tropfen, der vom Hallendach hängt. Eine neue Arbeit, entstanden im Frühjahr im Rahmen des Symposiums. Im Pavillon nebenan stehen die Werke des Künstlers wie schon im im vergangenen Jahr. Der Südkoreaner erhielt 2015 den Publikumspreis.

Filigranarbeit erlaubt neuen Blick

Auch wir haben seine Filigranarbeiten aus zigtausenden Kupferringen – aus Rohren geschnitten und aneinandergelötet – bewundert. Durch eine unterschiedliche Lötdauer leuchten die Kupfer-Verbindungen in schimmernden Spektralfarben. Der Tropfen hat auf Kopfhöhe eine Öffnung: verfremdete Kunst beim Blick aus seinem Inneren in die Halle.

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Filigrane Arbeit aus Kupferringen von Publikumspreisträger Jang Yongsun. © Fotos (3): Uwe von Schirp

Schon von weitem sticht an einer Wand ein drei mal zwei Meter großes Bild hervor. Vorhanggleich erstrahlt es in Sommertönen: grün, gelb, orange, auberginefarben – Harmonie und Kontrast gleichermaßen. „Color space – Divided linear veil“ des Finnen HC Berg: beim Herantreten offenbart sich die Acryl-Plastik als tatsächlich dreidimensional.

Natur und Zeitgeschichte

Um die nächste Ecke folgt dem Kunststoff irdisches Material: ausgehöhlte Baumstämme in Bootsform mit hölzernen Pontons an stählernen Auslegern. „Zu anderen Ufern“ haben Ute Lechner und Hans Thurner ihre Plastik genannt. Ein Diskurs zur (aktuellen) Flüchtlings-Problematik drängt sich geradezu auf.

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Resopal- und Laminatstreifen als Werkstoff. © Foto: Uwe von Schirp

Der Weg zurück führt durch den Israelischen Pavillon. 28 Künstlerinnen und Künstler des Schwerpunkt-Landes präsentieren ihre Werke unter dem Titel „The Circle of Life“. Expressionistische Malerei auf der unteren Ebene zeigt biblische Motive. Schnitzereien aus Olivenholz verwenden einen Rohstoff, den das breite Publikum auch als kunsthandwerkliche Dekoration aus der Region schätzt. Wie Strandgut wirkt die Plastik von Avital Cnaani: Die Laminat-Streifen erinnern an angeschwemmte Algen-Stränge.

Bedrohung und Mut

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Gary Goldstein gestaltet Alltagsmüll mit TippEx, Farbe und Faserstiften. © Foto: Uwe von Schirp

Wir stehen vor zwei Vitrinen. Dicht nebeneinander liegt Alltagsmüll: aussortierte Löffel, Gebisse, Brillen, Schalen, Türknaufe. Gary Goldstein hat sie mit Tipp-ex, Farbe und Fasermaler gestaltet. Die Faserzeichnungen zeigen Scherenschnitt-Profile, Emoticons, vielfach den Davidstern. Ein Blick in das Künstlerprofil verrät: Goldstein hat in seinem Elternhaus Erinnerungsstücke wie Fotografien oder Tafelsilber vermisst. Seine heutigen Werke seien „zerbrechlich und ungeschützt und der Gefahr der Zerstörung ausgesetzt. Sie sind mein Versuch, Erinnerungen wiederherzustellen“.

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„Die Wölfe kommen“. © Foto: Uwe von Schirp

Die obere Etage des Pavillons erlaubt einen Blick in die Halle 1. „Die Wölfe kommen“, eine Installation von 110 lebensgroßen Wölfen, nimmt fast die gesamte Fläche ein. Beeindruckender noch wirken sie auf dem Grund der Halle: Auf einem Hügel schwingt ein Kämpfer, ebenso aus Stahl gegossen, das Schwert. Das Rudel wirkt bedrohlich, der Held kühn und entschlossen. Es ist eines von zwei Werken von Liu Ruowang. In Büdelsdorf beginnt eine internationale Ausstellungstournee des chinesischen Künstlers.

Logistische Herausforderung

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„Erbsünde“. © Foto: Uwe von Schirp

Wir verlassen die Halle und überqueren den Hof der Carlshütte zum Freigelände. Linkerhand dominieren 36 Menschenaffen, ein jeder 3,50 Meter groß, den alten Park. „Erbsünde“ – das zweite Werk von Liu Ruowang auf der NordArt 2016. Gigantisch – so groß, dass sie in keinen Seecontainer passten und aufrechtstehend in Kisten transportiert wurden. Der Transportweg vom Hamburger Hafen nach Mittelholstein war schon allein wegen der Höhe eine logistische Herausforderung. Winzig wirken die Besucher, die zwischen den riesigen Affen und um sie herumgehen, staunen, sich über die Gesichtsausdrücke amüsieren.

Die alten Bäume im Park spenden angenehmen Schatten. Viele Skulpturen stehen auch hier an einem neuen Platz. Wir erinnern uns an Fotos im letzten Sommer – neben dem „Gespräch der Stille“ der Japanerin Akkino Nagata etwa. Kontrastreich der weiße Marmor inmitten des satten Grüns. Aber auch Sinnbild für die angenehme Ruhe hier draußen – ebenso wie „Tagtraum“ von Ayla Turan, den wir neu entdecken: entspannend.

Park-Idylle: Zeit für ein "Gespräch der Stille" und einen "Tagtraum" (Mi.). © Fotos: Katrin Krumpholz, Uwe von Schirp
Park-Idylle: Zeit für ein „Gespräch der Stille“ und einen „Tagtraum“ (Mi.). © Fotos: Katrin Krumpholz, Uwe von Schirp

13 Spieler auf der Wiese

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„Muse der Industrie“ in Pink – mit Blick auf die Carlshütte. © Foto: Uwe von Schirp

Mitten im kleinen See des Landschaftsgartens durchbricht eine von vier „Musen der Industrie“ das harmonische Farbenspiel: Inga Aru schuf das 4,50 Meter große stählerne Frauen-Profil, bemalt in grellem Pink. Die Muse blickt auf die Carlshütte – ein lokaler Brückenschlag.

Auf dem Weg zurück in den vorderen Teil des Parks umlaufen wir noch die 13 „Spieler“ von Michail Gabriel auf der großen Wiese, passieren die Alte Meierei mit dem Ausstellungs-Café und die Wagenremise. Am Ausgang überlegen wir kurz, ob wir noch zu „Carls Hütte“ auf die andere Straßenseite gehen. Den Besuch, entscheiden wir, verbinden wir mit der Besichtigung des neuen Eisenkunstgussmuseums im Herbst oder Winter.

 

 

Information
NordArt
Internationale Kunstausstellung


Kunstwerk Carlshütte
Vorwerksallee
24782 Büdelsdorf

Öffnungszeiten
bis 9. Oktober 2016:
Dienstag bis Sonntag (inkl. Feiertage),
11 bis 19 Uhr
Montags geschlossen

NordArt 2017: 10. Juni bis 8. Oktober

Weitere Informationen
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