Mühlhausen und Müntzer

1517: Luthers Thesenanschlag an die Schlosskirche in Wittenberg gilt als der Beginn der Reformation. 2017: Das „Reformationsjahr“ wird landläufig einfach als „Lutherjahr“ bezeichnet. Das ist – mit Verlaub – zu eng gefasst. Schließlich waren auch andere reformatorische Kräfte an den Auf- und Umbrüchen der damaligen Zeit beteiligt. Auch die „Lutherwege“, die zum Reformationsjubiläum touristisch in Wert gesetzt wurden, zeugen davon. Denn sie führen zu Orten, in denen Luther nie war. Zum Beispiel nach Mühlhausen in Thüringen: Hier wirkte im Jahr vor seiner Hinrichtung der radikale Reformator Thomas Müntzer. Mühlhausen – die vierte Station unserer Serie „Orte der Reformation“. Fünf Tipps und drei kulinarische Ergänzungen.

Müntzer und Luther

Thomas Müntzer wird 1525 Pfarrer in Mühlhausen. Nach dem Thesenanschlag Luthers waren beide zunächst Weggefährten. Später gingen die Ziele der beiden Reformatoren weit auseinander. Luther war in Müntzers Augen nicht radikal genug: Luther wäre zu sehr am Dialog mit den Fürsten und Grafen orientiert. In Schmähschriften lieferten sich beide einen erbitterten Disput.

Müntzer schlug sich auf die Seite der armen Bevölkerung. Im Mai 1525 führte er einen „Haufen“ Mühlhäuser in die Bauernkriegsschlacht in Frankenhausen. Die revolutionären Kräfte verloren das blutige Gemetzel. Müntzer wurde gefangen genommen und vor den Toren Mühlhausens enthauptet.  Seit 1975 – Müntzers 450. Todestag – trägt die Stadt den Titel „Thomas-Müntzer-Stadt“, seit 2016 ist sie „Reformationsstadt Europas“.

Fünf „reformatorische Ziele“ eines Stadtbummels

Das Frauentor an der inneren Stadtmauer. © Foto: Uwe von Schirp

Frauentor und Müntzer-Denkmal

Müntzer-Denkmal am Frauentor. © Foto: Uwe von Schirp

Die – von Fruchtaufstrichen bekannte – Silhouette des Stadttors öffnet sich im Westen. Auf dem weiten Vorplatz starten wir unseren Rundgang. Das Müntzer-Denkmal links vom Frauentor erinnert an das Wirken des Reformators in den Mauern der einen halben Quadratkilometer großen inneren Altstadt. Und darüber hinaus. Das Frauentor trägt seinen Namen übrigens von der nicht weit entfernten Marienkirche – der Frauenkirche. Der Weg dorthin führt vom Tor links oder rechts durch die schmalen Straßen. Es lohnt aber auch ein Besuch des Rabenturms und der Wehranlage. 370 Meter ist der begehbare Teil lang: Der Rabenturm bietet ein Panorama über die mittelalterliche Reichsstadt; der Weg über die innere Stadtmauer gibt Einblicke in museale Räume.

 

Die Südfassade der Marienkirche. © Foto: Uwe von Schirp

Marienkirche

Die Gedenkstätte gibt Einblick in das Leben und Wirken Thomas Müntzers. © Foto: Uwe von Schirp

Seit 1975 ist sie profaniert und Müntzer-Gedenkstätte. Der gotische dreischiffige Bau ist die – nach dem Erfurter Dom – zweitgrößte Kirche Thüringens. Beeindruckend sind allein schon die Portale: der Eingang durch das Turmportal im Westen, vielmehr aber noch das Dreikönigs- oder Ratsportal im Süden. Unterhalb der Figuren der anbetenden Weisen aus dem Morgenland sehen wir Kaiser Karl IV., der mit seiner Gemahlin auf den Platz hinunterblickt. Hier leistete seit Mitte des 13. Jahrhunderts der Mühlhäuser Rat alljährlich seinen Eid auf Kaiser und Reich. Als nach den Wirren des Bauernkrieges wieder Ruhe in die Stadt eingekehrt war, legten die Statuten von 1566 auch das Datum des Eides fest: den Dreikönigstag am 6. Januar. In den Seitenschiffen im Inneren der Marienkirche zeigen Vitrinen und Schautafeln das Wirken Müntzers. Gegenüber vom Westportal liegt das ehemalige Wohnhaus – das Pfarrhaus – des Reformators, heute die Verwaltung des Kirchenkreises.

 

„Der Ewige Rath“: Ein Gemälde im Ratssaal zeigt Müntzers politisches Wirken in Mühlhausen. © Foto: Uwe von Schirp

Rathaus

Das Mühlhäuser Rathaus zeugt von der Bedeutung der mittelalterlichen Reichsstadt. © Foto: Uwe von Schirp

Vom Ratsportal folgen wir der Bürgerstraße wenige Meter gen Osten und biegen dann in die Ratsstraße ein. Sie unterquert einen Teil des Rathauses – genauer: den Ratssaal. Thomas Müntzer gründete hier oben im März 1525 den „Ewigen Rath“. Ein großes Gemälde an der Stirnseite des Saales zeigt das ebenso reformatorische wie stadtgeschichtliche Ereignis – in historisch originaler Kulisse.

Es lohnt, einen Moment außerhalb der repräsentativen Räume im Obergeschoss zu verweilen. Das mittelalterliche Fachwerk-Rathaus mit Anbauten aus der Renaissance und des Barock ist in Gänze sehenswert Und es zeigt den Stolz und die Bedeutung der ehemaligen Reichsstadt. Mühlhausen war im späten Mittelalter ein wichtiger Handelsplatz und für eine Zeit Mitglied im Hansebund.

 


Frauentor Mühlhausen

Mühlhausen: Kirchen – Könige – Konditoren

Ein ausführlicher Bummel durch die historische Reichsstadt im Unstruttal. >Mehr


 

Die schlichte Kornmarktkirche ist das Bauernkriegsmuseum. © Foto: Uwe von Schirp

Bauernkriegsmuseum

Die Ausstellung „Luthers ungeliebte Brüder – alternative Reformationsideen in Thüringen“ zeigt den Weg von der Reformation in den Bauernkrieg. © Foto: Uwe von Schirp

Nur wenige Meter entfernt liegt das Bauernkriegsmuseum in der schon 1802 profanierten Kirche am Kornmarkt. Im 13. Jahrhundert errichtet, zeugen die schmucklose Fassade, die Fenster und einfachen Portale vom einstigen Sitz eines Bettelordens. Nach der Profanierung zunächst Kornmagazin, war der Chorraum später eine Hülle für eingebaute Wohnungen und Büros.  Heute hat im Chorraum ein großes Diorama Platz, das die blutige Schlacht im Bauernkrieg bei Frankenhausen von 1525 zeigt.

Im Reformationsjahr zeigt das Bauernkriegsmuseum die sehenswerte Ausstellung „Luthers ungeliebte Brüder – alternative Reformationsideen in Thüringen“. An der nördlichen Außenwand dokumentieren Schautafeln und Exponate die Entwicklung der Reformation bis zu den Bauernkriegen. Im südlichen Teil zeigt die Ausstellung Leben und Wirken der weniger prominenten Reformatoren – die „ungeliebten Brüder“.

 

Ausgewählte, gut „inszenierte“ Exponate dokumentieren die Geschichte Mühlhausens. © Foto: Uwe von Schirp

Kulturhistorisches Museum

Die alte Stadtmauer ist auf einer Länge von mehr als zwei Kilometern erhalten. © Foto: Uwe von Schirp

Vom Kornmarkt führt der Weg an die südliche Stadtmauer, vorbei an der Kirche Divi Blasii, an der Johann Sebastian Bach zwei Jahre wirkte, zum Kulturhistorischen Museum. Es gibt – neben zwei Ausstellungsteilen über zeitgenössische Kunst und die Archäologie des Unstrut-Hainisch-Kreises – Einblick in die Geschichte der Reichsstadt Mühlhausen. Beeindruckend ist die Präsentation mit wenigen Exponaten – in jeder Themeninsel ergänzt durch ein museumsdidaktisches Angebot für Kinder. Ein lohnenswerter Besuch für Familien – aber nicht nur.

An der Stadtmauer entlang Richtung Westen führt unser „reformatorischer Bummel“ zurück zum Ausgangspunkt am Frauentor. Mit dieser Spurensuche muss ein Aufenthalt in Mühlhausen noch längst nicht beendet werden. Das mittelalterliche Kleinod bietet mehr.

 

Für Leib und Magen

Last not least drei kulinarische Tipps: Denn Spurensuche und „Kultourbummeln“ macht durstig und hungrig.

Kaffee und kreatives Süßes

Ich kehre gern wieder ins Café Schikore am Untermarkt zurück. Inhaber Thorsten Schikore kreierte – passend zur Müntzer-Stadt Mühlhausen – „Müntzers Mütze“, ein Gebäck, und „Ottilies Törtchen“, benannt nach Müntzers Ehefrau.

Essen in historischem Ambiente

Im Wirtshaus Antoniusmühle hat mir die Speisekarte gefallen. Neuhochdeutsch beschriebene Zutaten mit der passenden „Übersetzung“ in gewohnte Gerichte. Gut geschmeckt hat es übrigens auch … ? Und wem die „Radikalität“ Müntzers in den Stunden zuvor zu viel war, dem ‚sey‘ das Luther-Menü empfohlen.

Donnerstags-Tipp

Das Mühlhäuser Brauhaus am Kornmarkt. Der Kellner bringt die Speisekarte und empfiehlt: das größte Schnitzel-Buffet Thüringens. Immer – und nur! – donnerstags. Ich kann das nicht verifizieren. Geschmeckt hat’s –die vielen Beilagen eingeschlossen. Ebenfalls das hauseigene „Reichsstädter“ Pilsener Brauart…

Information
Tourist-Information

Ratsstraße 20
99974 Mühlhausen

Öffnungszeiten Ostern - Okt.
Mo-Fr: 09:00 - 17:00 Uhr
Sa, So, Feiertag: 10:00 - 16:00 Uhr

Nov. - Ostern
Mo-Fr: 09:00 - 17:00 Uhr
Sa: 10:00 - 14:00 Uhr

Telefon 03601 / 40477-0
E-Mail senden
Weitere Informationen

 


Orte der Reformation im Radio

Die Blogbeiträge unserer Serie „Orte der Reformation“ begleiten eine gleichnamige Reihe im Sonntagsmagazin „kreuz & quer“ bei Radio MK mit Moderatorin Sabine Langenbach. Zu hören sind sie Sonntagsmorgens zwischen acht und neun im Livestream – oder im Mitschnitt als Podcast hier:

Teaser Orte der Reformation – Folge 4: Mühlhausen

Beitrag Orte der Reformation – Folge 4: Mühlhausen

 


Dieser Text gehört zur Blogparade `Mein Sommer: Zwischen Brotjob, Kultur und Ferien´. Kulturmacher*innen und Kulturschreiber*innen, die sich dieser Aktion anschließen wollen, finden die Teilnahmebedingungen unter https://kulturblogclub.wordpress.com/2017/06/21/einladung-aktion-sommer-zwischen-brotjob-kultur-ferien/


Die vorangegangenen Beiträge der Serie „Orte der Reformation“:

Folge 1: Erfurt

Folge 2: Eisenach – Stadt

Folge 3: Eisleben

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