Orte der Reformation – Folge 2: Eisenach
500 Jahre Reformation: Kaum eine Stadt in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen, in der sich keine Spuren finden lassen. Lutherwege weisen Wanderern, Radfahrern und Pilgern den Weg. Wir sind auf einer Reise durch den Reformationssommer und -herbst, besuchen Städte, in denen Martin Luther lebte und wirkte. Zweite Station : Luthers „meine liebe Stadt“ – Eisenach.
Dieser Beitrag entstand aus einer Pressereise der Thüringer Tourismus GmbH.
Graue Wolken hängen am Himmel. Vom Bahnhof kommend, betrete ich durch das Nikolaitor die Innenstadt. Auch wenn es 1498 noch keine Eisenbahn gab, muss wohl das der Weg sein, auf dem Luther zum ersten Mal hierherkam. So verrät es zumindest der Eisenacher Lutherführer. Und es spricht einiges dafür.
Heimat von Margarethe Luther
Denn direkt neben dem Tor liegt die Nikolaikirche. Hier lebte zu damaliger Zeit das Küsterehepaar Hutter – Luthers Verwandtschaft. Nicht von ungefähr: Martin Luthers Mutter Margarethe stammte von hier. Es war wohl der Willen von Luthers Vater, dass der Sohn vor Beginn des Studiums in Erfurt die Lateinschule in Eisenach besuchte. Dass er allerdings bei Hutters unterkommen könnte, erwies sich als Trugschluss.
Vom Nikolaitor fällt mein Blick auf das Lutherdenkmal am Karlsplatz. Der Reformator war mehrfach in der Stadt: zu Schulzeiten, auf dem Weg zum Reichstag nach Worms, auf der Rückreise dann wurde er als Junker Jörg hoch oben über der Stadt versteckt – auf der Wartburg.
Eingehaust: außen rosa – innen wohnlich
Das Denkmal ist verhüllt – ebenso wie das Pendant in Erfurt drei Tage zuvor. Hier wird aber nicht saniert, restauriert, poliert – und für das Reformationsjubiläum aufgehübscht. Das Gerüst trägt eine Installation des japanischen Künstlers Tatzu Nishi. „Alsdann flugs und fröhlich geschlafen“, heißt sie in Anlehnung an ein Luther-Zitat.
Der Reformator: eingehaust in ein Schlafzimmer – außen rosa, innen wohnlich. Es ist voll hier oben an diesem Vormittag. Die Installation zu Beginn des Jubiläumsjahres lockt nicht nur Touristen, sondern auch neugierige Einheimische. „So ein Unsinn“, grantelt ein Senior auf der Eisentreppe.
Europäisches Kulturerbe
Zurück auf der Straße empfängt mich die Fußgängerzone mit emsigem Treiben. Menschen bummeln, stöbern, eilen auch von Geschäft zu Geschäft. Es ist Samstagmorgen. Und bis in den späten Abend haben die Läden nicht auf. Eisenach ist beschaulich und gemütlich. 2001 war ich zuletzt hier: Die Stadt hat sich gemacht. Kurz vor dem Marktplatz treffe ich Ina Conrad. Sie hat uns am Nachmittag zuvor als „Lutherfinder“ zu den Lutherstätten in der Altstadt geführt.
Mal abgesehen von der Wartburg, ist das Lutherhaus ein „Muss“. Vom Markplatz liegt es wenige hundert Meter südlich. Martin Luther lebte hier während seines Besuchs der Lateinschule bei der wohlhabenden Familie Cotta. Das Haus zählt zu den ältesten und schönsten Fachwerkgebäuden Thüringens. Wahrscheinlich 1356 erbaut, ist es seit 1956 Museum und seit 2011 europäisches Kulturerbe. Um einen modernen Anbau ergänzt, zeigt es das Leben und Wirken Luthers in Eisenach.
Bachhaus oder Georgenkirche?
Im Mittelpunkt: Luthers Übersetzung der Bibel. Eindrucksvoll das Dachgeschoss, das auf einer großen Wand heute im allgemeinen Sprachgebrauch übliche Redewendungen zeigt. Luthers Wortschöpfungen, um die Bibel in eine verständliche Sprache zu übersetzen. „Das ist meine Lieblingswand“, sagt Ina Conrad. Beinahe täglich erlebt sie als Stadtführerin den „Aha“-Effekt bei den Besuchern. Die Ausstellung verdeutlicht Luthers kulturgeschichtlichen Einfluss, auf die Kunst, die Literatur und die Musik.
Ein Besuch des wenige hundert Meter entfernten Bachhauses böte sich hier an. Eisenach ist auch die Stadt Johann Sebastian Bachs. Mein Weg führt aber in die nahe Georgenkirche am Markt. Bach wurde hier getauft, war später hier Organist. Luther sang hier als Schüler in der Kurrende. Und: In der gotischen Hallenkirche hat die spätere Heilige Elisabeth von Thüringen 1221 den Landgrafen Ludwig IV. geheiratet. 1196 wurde St. Georgen erstmals urkundlich erwähnt.
Innehalten vor der Geschichte
Martin Luther machte auf seinem Weg zum Wormser Reichstag in der Georgenkirche Station und predigte. Ebenso auf dem Rückweg am 2. Mai 1521 – mittlerweile unter Kirchenbann. Aber: Er war bereits ein berühmter Mann und aus seiner Schulzeit in der Stadt bekannt – die Kirche der Überlieferung an diesem Tag nach rappelvoll.
Was für ein Ort! Zeit, um einen Moment innezuhalten. (Kultur-)Geschichte wirken und Revue passieren zu lassen. Eisenach ist ohnehin nicht laut, aber die Ruhe der Stadt ist im Inneren der Kirche noch deutlicher erfahrbar.
Gegenüber des Hauptportals führt die Untere Predigergasse zum Martin-Luther-Gymnasium. Zu Luthers Zeiten soll hier die Lateinschule gestanden haben. 1507 abgerissen, entstand an gleicher Stelle 1531 ein Dominikanerkloster, dessen Architektur erhalten ist. Eine Gedenktafel erinnert daran, dass auch Johann Sebastian Bach hier zur Schule gegangen ist. Am Predigerplatz beginnt der Fußweg zur Wartburg und endet die Spurensuche in der Eisenacher Altstadt. Genug für mich für einen Tag.
Spektakel zum Abschluss
Nicht weit, ein passender Abschluss: Im Eisenacher Hof laden die Lutherstuben zum Ausklang ein. Speisen und Trinken wie im Mittelalter. Ein Erlebnisrestaurant: Spektakel mit offener Küche, leckerem Essen, Wein, Bier und Schnaps aus Tonkrügen, Stroh auf dem Boden, hunderte Kerzen als Beleuchtung und – mit etwas Glück – Minnesang und Anekdoten über den Junker Jörg.
Der soll sich – sehr authentisch erzählt – abends heimlich von der Wartburg in die Kneipe geschlichen haben. Rechts in der Ecke neben der Eingangstür habe er gesessen, gezecht und diskutiert. Nachgewiesen ist es nicht, historisch widerlegt auch nicht. Dafür ist das Haus auch zu jung. Aber: vorstellbar – ein Besuch lohnenswert.
Information | |
Eisenach-Wartburgregion Tourist-Information Markt 24 99817 Eisenach Öffnungszeiten Montag - Freitag 10.00 - 18.00 Uhr Samstag und Sonntag 10.00 - 17.00 Uhr Telefon 03691 79 23 0 E-Mail senden Weitere Informationen |
Orte der Reformation im Radio
Die Blogbeiträge unserer Serie „Orte der Reformation“ begleiten eine gleichnamige Reihe im Sonntagsmagazin „kreuz & quer“ bei Radio MK mit Moderatorin Sabine Langenbach. Zu hören sind sie Sonntagsmorgens zwischen acht und neun im Livestream – oder im Mitschnitt als Podcast hier:
Teaser Serie Orte der Reformation – Teil 2: Eisenach – Altstadt
Beitrag Serie Orte der Reformation – Teil 2: Eisenach -Altstadt
Dieser Text gehört zur Blogparade `Mein Sommer: Zwischen Brotjob, Kultur und Ferien´. Kulturmacher*innen und Kulturschreiber*innen, die sich dieser Aktion anschließen wollen, finden die Teilnahmebedingungen unter https://kulturblogclub.wordpress.com/2017/06/21/einladung-aktion-sommer-zwischen-brotjob-kultur-ferien/
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über Orte der Reformation.
Weitere Beiträge:
5 Kommentare